Trotz ihres hohen Alters kämpfen sie

Rote Kreuze | Diogenes, 22,00 EUR

Sasha Fil­ipenko 

Wenn Schrift­steller sich zwei oder drei Jahre mit einem bes­timmten Prob­lem auseinan­der­set­zen, tra­gen sie darum gewis­ser­maßen die Tra­di­tion des großen präzisen Jour­nal­is­mus weit­er, der in unseren ›post­fak­tis­chen‹ Zeit­en verschwindet.

Sasha Fil­ipenko fordert seine Leser*innen her­aus. Denn sein Roman bringt Gehirne in Bewe­gung. Und, mehr noch, er rüt­telt an sicheren Überzeu­gun­gen. Ins­beson­dere die gewaltvolle Geschichte des 20. Jahrhun­derts ist ein The­ma, bei dem wir alle oft ambiva­lente Hal­tun­gen an den Tag leg­en. Denn ger­ade wir Deutschen haben uns oft einen fest­ge­fügten Reim auf dieses Jahrhun­dert gemacht. In dessen Mit­telpunkt ste­ht natür­lich die Unge­heuer­lichkeit des Nation­al­sozial­is­mus. Insofern haben sich viele von uns in dieser Sicht auch sehr gut ein­gerichtet. Aber: Das 20. Jahrhun­dert hält noch viel mehr Grausamkeit bere­it — und das auch schon zeit­gle­ich mit dem Drit­ten Reich.

Rote Kreuze — Tragische Leben und grausame Systeme

Natür­lich wis­sen wir alle auf ein­er abstrak­ten Ebene um die unvorstell­baren Grausamkeit­en, die Stal­in über die Sow­je­tu­nion und später den gesamten Ost­block gebracht hat. Aber, wenn wir ganz ehrlich sind, haftet diesem Wis­sen doch stets etwas Unge­fähres und Rev­i­dier­bares an. Indem Sasha Fil­ipenko nun seinen Roman »Rote Kreuze«  kon­se­quent als Lebensgeschichte(n) sein­er Fig­uren erzählt, bewahrt er die Erin­nerung an die realen Grausamkeit­en des Stal­in­is­mus. Und die ste­hen den Grausamkeit­en der deutschen Geschichte in nichts nach! Auf diese Weise ehrt er »jene tapfer­en Frauen in Rus­s­land, die nach wie vor, trotz ihres hohen Alters, unen­twegt weit­erkämpfen für die Wahrheit und das Recht auf Gedenken.« Denn: »Der Staat tut alles, damit die Men­schen die Grausamkeit­en des Sow­je­tregimes vergessen, und unsere Auf­gabe ist es, das nicht zuzulassen.«

Hinterm Horizont geht es weiter

Ger­ade für deutsche Leser*innen ist dieses Buch eine Übung in Hor­i­zon­ter­weiterung. Denn zwar hat die Sow­je­tu­nion unter unfass­baren Opfern geholfen, das Naziregime zu besiegen. Ein pos­i­tiv­er Gege­nen­twurf kann der Stal­in­is­mus trotz­dem nicht sein. Was nun wiederum den Roman bet­rifft: Mögen diesem großar­ti­gen Roman, der sich bei aller Mis­sion und Botschaft span­nend und mitreißend liest wie ein Span­nungsro­man, noch viele weit­ere folgen!

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