Kriminelle Frauen in Reykjavik

Das Netz | DuMont, 10.00 EUR

Lil­ja Sigurdardottir

Diese fremde Frau hat­te ihr nichts getan. Unter nor­malen Umstän­den hät­ten sie wahrschein­lich sog­ar ein biss­chen miteinan­der geplaud­ert. Doch ein schlecht­es Gewis­sen half jet­zt nicht weiter.

Ziem­lich hin­ter­hältig lockt Lil­ja Sig­ur­dar­d­ot­tir ihre Leserin­nen und Leser in die Falle, will sagen, in ihr »Netz«. Das packt und fes­selt.  Denn immer­hin sind alle Fig­uren in diesem Buch schw­er krim­inell. Trotz­dem schla­gen wir uns augen­blick­lich auf ihre Seite. Jede einzelne Schmugge­lak­tion Son­jas gerät zur ner­ve­naufreiben­den Tor­tur. Und das liegt daran, dass ihre Beweg­gründe so nachvol­lziehbar sind. Dass sie schlau, find­ig und sym­pa­thisch ist, tut natür­lich ein übriges. Agla wiederum ist vol­lauf damit beschäftigt, ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen. Schließlich war sie fed­er­führend an den Tricks und Schiebereien ihrer Bank beteiligt und weiß mehr als gut für sie ist. Dazu hat sie ein sit­u­a­tions­be­d­ingtes Alko­hol­prob­lem. Aber auch sie wird von Sig­ur­dar­d­ot­tir prob­lem­los direkt ins Leser­herz geschmuggelt.  Möglicher­weise liegt das an Aglas lei­den­schaftlich­er und kom­pliziert­er Liebe zu Son­ja. Die bei­den krim­inellen Frauen verbindet eine aufre­gende Beziehung, die sich aus­nehmend gut ins Gesamt­geschehen einfügt.

Anders gesagt, »Das Netz« über­rascht und erfreut auch die gewieftesten Leser*innen mit immer neuen Wen­dun­gen und ein­er läs­si­gen Sprache, die ganz ohne über­triebene Mit­tel auskommt. Stattdessen besticht der Thriller mit schön aus­gear­beit­eten Charak­teren und ein­er wohldosierten Dynamik. Lil­ja Sig­ur­dar­d­ot­tir ist ein­fach eine sehr gute Autorin.

Fun fact

Bere­its 2008 gewann sie mit »Zwölf Schritte« den Schreib­wet­tbe­werb des Ver­lages Bjar­tur, der auf der Suche nach dem »isländis­chen Dan Brown« war. Außer Krim­is schreibt sie auch The­ater­stücke und Drehbüch­er. Das schadet nicht.

Freu fact

In Hin­blick auf den Sucht­fak­tor, den dieser Thriller ent­fal­tet, ist es gut zu wis­sen, dass die bei­den Fol­ge­bände nicht nur schon fer­tig geschrieben sind. Nein, sie sind auch längst über­set­zt und warten nur noch auf ihre Veröf­fentlichung! Im Okto­ber wird der zweite Band kom­men, im März 2021 der dritte.

Kriminelle Frauen in Reykjavik
Vorheriger Beitrag
Ein zähes Luder ist der Mensch
Nächster Beitrag
Wild Nights! (mit Emily Dickinson)
Autorinnen, Krimi, Literatur, Literatur, Queer content
blog 300 | Lilja Sigurdardottir | Das Netz